Augsburger Schwestern übergeben das Vincentinum an neuen Träger

Es gibt Gesten, die kurz aber sehr schicksalsträchtig sein können. Nichtdestotrotz sind sie stimmig und erfüllen alle, Akteure wie Zuschauer, mit gemischten und gleichzeitig erhabenen Gefühlen: Trauer, Stolz, Zuversicht. Eine solche Geste war die Übergabe des Schlüssels der Klinik Vincentinum von Sr. M. Michaela Lechner, Generaloberin der Barmherzigen Schwestern, an den neuen Träger der Klinik am 15. Juli 2017. Die Barmherzigen Schwestern hielten diesen gewichtigen Schlüssel seit 1904 in der Hand, also seit der Gründung des Krankenhauses. Seit dem 15. Juli führt das Gesundheitsunternehmen Artemed die Klinik in die Zukunft.

 Bei der Feier des Trägerwechsels mit 250 Vertretern der alten und neuen Leitungen, sowie des öffentlichen Lebens, würdigte Sozialbürgermeister Stefan Kiefer den Einsatz der Barmherzigen Schwestern in der Stadt Augsburg „Die Schwestern haben sich mit ihrem hingebungsvollen Einsatz einen festen Platz in den Herzen der Bürger erarbeitet.“ Prof. Rainer Salfeld, Direktor der Artemed-Gruppe, versprach „die Zukunft des größten reinen Belegkrankenhauses in Deutschland so erfolgreich zu gestalten, wie es in der Vergangenheit die Kongregation getan hat.“

Für Sr. M. Michaela stand dieser Tag – wie Sie sagte - offensichtlich nicht im Fluss des „Wunschkonzertes“ des Lebens, war aber wie eine Etappe, die notwendig geworden war, angesichts der demographischen Entwicklung der Kongregation. Ihre Worte haben die Anwesenden tief getroffen. Unterschiedliche Gefühle bewegten sie in der Stunde...

„Vorherrschend ist hierbei eine tiefe Dankbarkeit. Ich empfinde sie für Gott, der alles zum Besten fügt, für den hl. Vinzenz, der seit 400 Jahren mit seinem Charisma Notleidenden beisteht, für die Vielzahl der Schwestern unserer Gemeinschaft, die seit mehr als 150 Jahren Lebenskraft und Fähigkeiten für Hilfsbedürftige einsetzen und für viele Menschen, die mit uns zusammen im Dienst am Menschen standen und stehen.

Ohne das Zusammenwirken dieser Kräfte gäbe es kein Vincentinum und keinen Gesundheitspark.

Der Weg, den alles genommen hat, lag im Dunkel, als 1864 das erste Mutterhaus der noch kleinen Kongregation der Barmherzigen Schwestern in Augsburg Heimat bot. Es stand an der Stelle des heutigen Gesundheitszentrums.

Die Gemeinschaft war erst zwei Jahre zuvor offiziell begründet worden. Sie strebte vorwärts mit Tatendrang und innerer Lebenskraft.

Schritt für Schritt und trotz kräftigem Gegenwind wuchsen Mitgliederzahl und Aufgabenfelder. Eine neue Seite wurde aufgeschlagen, als 1892 an der Stelle der heutigen Klinik Vincentinum, das „St.-Vinzenz-Pensionat“ seine Pforten öffnete.

Damals war nicht vorhersehbar, dass sich aus dem Heim für 48 Pensionäre in einer wechselvollen Geschichte unsere Klinik Vincentinum in ihrer heutigen Gestalt entwickeln würde.

Die Umwandlung von der „Verpflegungsanstalt“ zum Krankenhaus erfolgte 1904.

Schnell und immer wieder war das Haus zu klein für die zunehmende Patientenzahl. An- und Um- und Neubauten sorgten für die notwendige Anpassung und veränderten das Bild nach außen.

Fortschritte in Medizin, Technik und Pflege prägten den Dienst am Menschen, den Schwestern unserer Kongregation, zusammen mit einer wachsenden Zahl von Ärztinnen und Ärzten, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in allen Bereichen, versahen.

Rückschläge und Hindernisse mussten hingenommen und überwunden werden. Es galt, 2 Weltkriege mit ihren Schrecken und Nöten zu überstehen, ebenso die unheilvolle Herrschaft des Nationalsozialismus, Hungerzeiten, Armut Weltwirtschaftskrise und manches andere. Vieles wäre hier zu erwähnen.

Wahrlich, das Leben war kein Wunschkonzert.

Die letztlich positive Entwicklung spricht von Gottes gütiger Vorsehung und Führung, die aus den Notlagen herausführte. Hilfreich und sinnstiftend war zu jeder Zeit die Spiritualität unseres hl. Vaters Vinzenz und der hl. Louise von Marillac.

Ihr Vorbild lehrte, jedem Menschen in großer Offenheit zu begegnen und in wacher Bereitschaft das zu tun, was gerade nötig war.

Hellhörig für die Notsignale ihrer Zeit ging es ihnen um Hilfe in materieller und geistlicher Not, um die Würde, die jedem Menschen von Gott her geschenkt ist und um den Einsatz der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zum Wohl der anderen.

Gottes erbarmende Liebe, das Evangelium Jesu Christi und das Gebet waren Kraftquellen für den Dienst am Nächsten.

„Liebe sei Tat“, und „die Liebe Christi drängt uns“ waren ihre Leitworte.

Eingangs erwähnte ich: vor 400 Jahren organisierte Vinzenz von Paul erstmals Caritasgruppen, um Notleidenden beizustehen. Seitdem haben unzählige Menschen in aller Welt seine Spiritualität aufgegriffen und zu ihrer eigenen gemacht.

Dies gilt auch für die Schwestern unserer Gemeinschaft, im Mutterhaus,  in der Klinik Vincentinum und in allen Niederlassungen, in denen sie tätig waren und sind.

Wir Schwestern heute leben aus einem gewandelten Zeitverständnis und unter anderen Gegebenheiten, jedoch aus denselben Wurzeln und Kraftquellen.

Dabei ist, um es mit den Worten des hl. Vinzenz zu sagen „das Gewand der Liebe aus dem Stoff des Alltags gemacht.Wir sind niemals am Ziel sondern immer auf dem Weg.“

Eine große Dankbarkeit empfinde ich für die große Zahl der Schwestern unserer Gemeinschaft, die sich in der Klinik Vincentinum für die Menschen einsetzten und unermüdlich das Haus mit allem, was dazugehörte, vorwärts brachten und pflegten. Zeitweise zählte der Konvent in der Klinik ca. 80 Barmherzige Schwestern. Damals gab es nur wenige Belegärzte und nur einige freie Mitarbeiter. Man kann nicht ermessen, wieviel Hingabe, Fleiß und Fürsorge unsere Schwestern in dieser Zeit aufgebracht haben. 

Zusammenhalt, Gottvertrauen und die Sicht für das Ganze waren ihre große Stärke. Es war das „Eigene“, das die Schwestern fördern und durch alle Hindernisse führen wollten. Letztlich gelang es, wenn auch nicht ganz wunschgemäß:   Leider ging die Zahl der Ordensschwestern stets zurück. Die äußeren Rahmenbedingungen wurden komplexer und schwieriger. Dennoch hat sich die Klinik positiv entwickelt. Wir spürten den Beistand der göttlichen Vorsehung. Es gab große Bauerweiterungen: 1976 wurde der Zentralbau eingeweiht und 2000 der Neubau in Betrieb genommen, der dem Vincentinum sein heutiges Äußeres gab. Die Umstände fügten sich so, dass das ehemalige Hauptkrankenhaus erworben werden konnte und auf dem Gelände unseres ersten Mutterhauses mit dem Gesundheitspark ein insgesamt zweckmäßiges und ansprechendes Ensemble entstand.

Die Anzahl der Belegärztinnen und –ärzte war in den vergangenen Jahrzehnten um ein vielfaches gestiegen, ebenso die Zahl der freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach und nach auch die Leitungsfunktionen in allen Bereichen übernahmen. Wir sind außerordentlich dankbar, dass die Zusammenarbeit sehr gut gelang. Einbezogen sind hier auch unsere Belegärzte.

So empfinden wir – neben allem Guten, das geschehen ist und neben der Dankbarkeit - auch ein Gefühl der Trauer und des bevorstehenden Abschieds. Wir spüren wieder einmal deutlich: Das Leben ist kein Wunschkonzert!

Wir hätten gerne auch weiterhin die Geschicke der Klinik geleitet, sie weitergeführt im Sinne des hl. Vinzenz und zum Wohle der Menschen. Doch die Fakten sprechen anderes.

Seit Jahren erkannten wir in der Ordensleitung: Trotz aller Bemühungen reichen die Kräfte unserer Gemeinschaft nicht aus, die Klinik in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Diese Tatsache führte uns zu dem Entschluss, das Haus abzugeben. Wir überlegten, wer uns hier helfen könnte, führten ausführliche Gespräche mit unterschiedlichen Trägern und Personen. Es sollte gewährleistet sein, dass die Prägung und der Geist des hl. Vinzenz erhalten bleiben. Es sollten für unsere Belegärzte und Mitarbeiter Bedingungen gegeben sein, die den bisherigen entsprechen.

Wir lernten die Artemed-Klinikgruppe, ihre Ziele und ihre Arbeitsweise näher kennen und kamen zur Überzeugung, dass hier unsere Vorstellungen gut beheimatet sind. Wir waren beeindruckt von der fairen Verhandlungsführung und dem angenehmen Miteinander. Wenn auch das Leben kein Wunschkonzert ist, so gehen doch immer wieder Wünsche und Hoffnungen in Erfüllung. So erleben wir es jetzt.

Wir wissen die Klinik Vincentinum in guten Händen. Sie gehört zwar nicht mehr uns Barmherzigen Schwestern, aber ihr weiteres Schicksal liegt uns dennoch sehr am Herzen. 

Gerne sind auch einige Barmherzige Schwestern weiterhin in der Klinikseelsorge tätig, gerne begleiten wir das Haus mit unserem Gebet und dankbar werden immer wieder Schwestern als Patientinnen die Klinik aufsuchen. Die gute Verbindung soll erhalten bleiben.

So ist in unserem Planen die heutige gemeinsame Feier nicht die letzte. Das Fest des hl. Vinzenz und die offizielle Verabschiedung der Ordensschwestern sollen festlich beachtet werden. Ich glaube, dass es der zukünftigen Leitung des Hauses gelingt, den Herausforderungen der kommenden Jahre gerecht zu werden und gute Lösungen für den Gesundheitspark Vincentinum zu finden. Dazu wünsche ich Ihnen von Herzen den reichen Segen Gottes und die fürbittende Begleitung des hl. Vinzenz von Paul.

 

 

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