Die Münchner Generaloberin Sr. Rosa Maria Dick mit Reinhard Kardinal Marx - dazwischen ein Bild von Mutter Ignatia Jorth, der ersten Münchner Generaloberin, die vor 175 Jahren starb
Vorträge zu Mutter Ignatia Jorth
Schwester M. Teresa Slaby aus Hildesheim, Vorsitzende der Föderation. Aus der Ferne waren auch weitere Mitglieder zugeschaltet.
Festgottesdienst mit Reinhard Kardinal Marx

Festakt zu Ehren von Mutter Ignatia Jorth

Die Gründerin der Barmherzigen Schwestern in Bayern starb vor 175 Jahren

Die diesjährige Jahreskonferenz der Vinzentinischen Föderation, die vom 29. September bis 3. Oktober im Exerzitienhaus Schloss Fürstenried in München tagte, war in mancherlei Hinsicht eine besondere: Zum ersten fand sie heuer zum 50. Mal statt. Sodann waren aufgrund der Corona-Pandemie am Tagungsort die Kongregationen von München, Augsburg, Hildesheim, Innsbruck und Untermarchtal vertreten, die übrigen europäischen Mutterhäuser nahmen per Videokonferenz teil. Schließlich – und darum soll es diesem Artikel gehen – wurde in einem kleinen Festakt an Mutter Ignatia Jorth, die Gründerin und erste Generaloberin der Barmherzigen Schwestern in Bayern, erinnert, die vor 175 Jahren verstorben ist.

Mutter Ignatia Jorth (1780–1845) im Kreis der Vinzentinischen Föderation zu würdigen, ist durchaus angemessen. Sie war nämlich zuerst einmal Mitglied der Barmherzigen Schwestern des Straßburger Bistums und hat sich zeitlebens auch so verstanden: Im Mutterhaus in Zabern wurde sie im April 1808 eingekleidet, hier legte sie im November 1809 ihre Profess ab. Bereits 1808 wurde sie zur Pflege alter und kranker Menschen und zur Erziehung von Kindern in das Spital nach Kaysersberg gesandt. Hier sammelte sie Erfahrungen, die sie befähigten, ab dem Jahr 1811 als Oberin im Bürger- und Militärspital in Hagenau und ab 1824 als Oberin im Straßburger Bürgerspital zu wirken. Zugleich unterstützte Schwester Ignatia ihre Generaloberin, Mutter Vinzenz Sultzer, als Assistentin in der Leitung der elsässischen Kongregation der Barmherzigen Schwestern und trug als Novizenmeisterin Verantwortung für die Ausbildung der jungen Schwestern.

Ausgestattet mit reichen praktischen Erfahrungen in der Pflege wie auch mit Organisationstalent, Führungsstärke und pädagogischem Geschick wurde Schwester Ignatia im Jahr 1832 ins Ausland, nach München, gesandt, um im Allgemeinen Krankenhaus eine Schwesterngemeinschaft für ein funktionierendes Krankenpflege- und Hauswirtschaftsmanagement aufzubauen. Die Barmherzigen Schwestern wirkten bald in 16 vom Münchner Mutterhaus abhängigen Niederlassungen in ganz Bayern.

Darüber hinaus unterstützte Mutter Ignatia auf vielfältige Weise die Gründungen der Barmherzigen Schwestern in Innsbruck, Graz und Salzburg.

Schließlich hat Mutter Ignatia auch deshalb ihren Platz im Kreis der Vinzentinischen Föderation, weil sie die Gründerinnen der Kongregationen von Zams-Wien, Fulda und Paderborn nicht nur aus ihrer elsässischen Zeit kannte, sondern auch von München aus die schwesterlichen Kontakte zu ihnen pflegte.

Unter dem Blick von Mutter Ignatia, deren Porträtgemälde beim Festakt und Festgottesdienst zugegen war, eröffnete die Münchner Generaloberin Schwester Rosa Maria Dick die festliche Stunde, indem sie – anknüpfend an das Thema der Jahreskonferenz „Sich bewegen lassen und bewegen“ – Mutter Ignatia als eine Frau vorstellte, die sich bewegen ließ – indem sie sich in den Dienst als Barmherzige Schwester rufen und sich vom Leid und der Not der Menschen berühren ließ – und die selbst viel bewegte – z.B. den Aufbau einer geistlichen Schwesterngemeinschaft in Bayern oder die Verbreitung vinzentinischer Spiritualität im deutschsprachigen Raum.

In zwei Vorträgen wurde dann Mutter Ignatia in die Mitte der Festgäste geholt: Dr. Susanne Kaup, die Archivarin der Münchner Kongregation, zeichnete Leben, Persönlichkeit und Selbstverständnis von Mutter Ignatia nach. Grundlage dieser Ausführungen bildeten vor allem Briefe und Berichte, die Mutter Ignatia selbst verfasst hatte und die sich in den Kongregationsarchiven in Straßburg und München befinden. Die Münchner Gründergeneraloberin wurde als eine aufrechte, engagierte und bemerkenswert selbstbewusste Frau vorgestellt, die ihre Fähigkeiten sehr wohl kannte. Zugleich aber war sie weltlichem Lob gegenüber sehr skeptisch eingestellt und sich bewusst, dass sie ihren Dienst allein vor Gott zu verantworten hatte. Ihr Selbstverständnis als Barmherzige Schwester zog sie aus ihrer vinzentinischen Prägung, die sie deutlich in dem Satz ausspricht: „Wir bleiben doch nur die Dienerin des Herren in der Person der Armen.“

Inspiriert von den ungefähr 150 Briefen, die Schwester Ignatia von 1832 bis 1844 von München aus ins Straßburger Mutterhaus geschrieben hatte, richtete Schwester M. Veronika Häusler, Augsburg, im zweiten Vortrag des Nachmittags drei Briefe an Mutter Ignatia. Angesteckt vom Lebenszeugnis der Münchner Gründergeneraloberin, von ihrer Art, die Berufung als Barmherzige Schwester zu leben, reflektierte die Referentin zunächst das heutige Selbstverständnis und die Berufung zur Barmherzigen Schwester. In einem zweiten Brief wurde die Begegnung mit dem bedürftigen Mitmenschen thematisiert, die nach dem Vorbild von Schwester Ignatia aus einer lebendigen Gottesbeziehung heraus und in dem Wunsch, den Menschen den Raum der Freundschaft Gottes aufzuschließen, unendlich vielfältig sein kann. Der dritte Brief befasste sich angesichts des großen Wandelns in den vinzentinsichen Gemeinschaften mit der Frage, wie Schwester Ignatia mit schwierigen Situationen umging, welche Lösungen sie fand. Schwester Veronika hob den ehrlichen, analytischen Blick auf die Wirklichkeit hervor, der Mutter Ignatia eigen war, wie auch ihr praktisches Vorgehen im Dreischritt „Sehen–urteilen–handeln“ – und schließlich ihr unbedingtes Vertrauen auf Gott.

Abschließend wurde die neue Publikation, die Leben und Wirken von Mutter Ignatia in fünf Aufsätzen beschreibt, vorgestellt und den Anwesenden überreicht. Musikalisch stilvoll umrahmt wurde der gesamte Festakt von wunderbaren Harfen- und Gitarrenklängen.

Am Abend fand sich die kleine Festgemeinde in der Hauskapelle des Exerzitienhauses zu einer Eucharistiefeier zusammen, der in dichter und konzentrierter Atmosphäre der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Kardinal Marx, vorstand. Ausgehend von den Tagesheiligen, den heiligen Schutzengeln, die als Begleiter und Helfer der Menschen zur Seite stehen, schlug Kardinal Marx in seiner Predigt den Bogen zu Mutter Ignatia. Auch sie habe im 19. Jahrhundert den Armen und Bedürftigen geholfen, indem sie mit ihren Mitschwestern im neu errichteten Orden der Barmherzigen Schwestern tat, was nötig und was möglich war.

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